Australische Rotgesicht-Schildkröte, Emydura victoriae

Wenn ihr eine Emydura australis erwerben konntet, dann herzlichen Glückwunsch, gibt es nicht häufig in Europa. Und gleichzeitig auch: mein Beileid, die Art gibt es nämlich eigentlich gar nicht (TTWG 2017). Schade, sind bestimmt trotzdem schöne Wasserschildkröten.

Das was in Nordamerika und Europa als Emydura australis kursiert ist vermutlich die Art Emydura victoriae und um diese Wasserschildkröte soll es hier gehen. Deutlich häufiger in Europa gepflegt und gezüchtet wird die Rotbauch-Spitzkopf-Schildkröte (Emydura subglobosa), wenn du eine Wasserschildkröte als Haustier pflegen möchtest, ist sie sehr viel einfacher zu bekommen und sieht so ähnlich aus.

Australische Rotgesicht-Schildkröte, Emydura victoriae

Herkunft

Das Herkunftsgebiet der Australischen Rotgesichts-Schildkröte ist, wie der Name schon sagt, Australien (Northern Territory, Western Australia). In der Natur gilt die Art als nicht gefährdet, wobei fraglich ist, ob es an mangelnden Daten liegt. Grundsätzlich gibt es sehr wenige Informationen in der Literatur über diese Schildkrötenform.

Australische Rotgesicht-Schildkröte, Emydura victoriae

Größe

Gute gesicherte Angaben zur Größe sind nicht wirklich zu finden, sehr wahrscheinlich liegt die maximale Panzerlänge bei 25 cm. Ausgewachsene Weibchen erreichen ein Gewicht von etwa 1 kg, während die Männchen mit 400-500 g nur knapp die Hälfte wiegen (GAIKHORST et al. 2011).

Australische Rotgesicht-Schildkröte, Emydura victoriae

Ernährung

In der Natur besteht die Nahrung von Emydura victoriae zu zwei Dritteln aus Pflanzen und zu einem Drittel aus tierischen Bestandteilen. Sie ist ein klassischer Allesfresser. Die Rotgesicht-Schildkröte frisst nahezu alles was es im Wasser gibt beziehungsweise hineingefallen ist. Neben Wasserpflanzen und Landpflanzen auch Algen, Süßwasserschwämme, verschiedene Muscheln, Schnecken, Zehnfußkrebse, kleine Wirbellose, Köcherfliegenlarven, Fische und ins Wasser gefallene Insekten (FITZ-SIMMONS et al. 2016).

Jungtiere fressen im Aquarium zunächst nur Lebendfutter, später kann man Emydura victoriae auch mit getrockneten Futtertieren und Frostfutter versorgen. Pflanzliche Nahrung kann man gut über Salate Wildkräuter und Wasserpflanzen anbieten. Im Aquarium gehen Australische Rotgesicht-Schildkröten manchmal nicht gut an pflanzliche Nahrung, mit Hilfe eines Schildkrötenpuddings kann man ihnen ihre Portion pflanzlicher Kost aber gut untermogeln.

Australische Rotgesicht-Schildkröte, Emydura victoriae

Haltung im Aquarium

Die Haltung dieser Wasserschildkröten im Gartenteich ist nicht möglich, man benötigt ein Aquarium. Für diese relativ große Wasserschildkröte sollte das Aquarium wenigstens eine Länge von 120 cm haben, besser wären 150 cm. Es handelt sich um schwimmfreudige Schildkröten, die den ganzen Tag auf Achse sind. Daher ist nicht viel Einrichtung nötig, sondern vor allem freier Schwimmraum. Für weibliche Emydura victoriae ist ein Eiablageplatz erforderlich, den Männchen genügt ein Platz zum Sonnen (z. B. Kork). Australische Rotgesicht-Schildkröten sonnen sich nicht so ausgiebig wie man es von Schmuckschildkröten kennt, aber sie sonnen sich, insbesondere wenn man ihnen eine hochwertige Beleuchtung (Halogen-Metalldampf-Lampe mit UV-Anteil) anbietet.

Im einzigen ausführlichen Zucht- und Haltungsbericht von der Australischen Rotgesicht-Schildkröte wird angegeben, dass die Wassertemperatur im Sommer bei 24-26 °C und im Winter bei 22-24 °C lag (GAIKHORST et al. 2011). Die Beleuchtungsdauer kann ganzjährig 12 h betragen. Eine kalte Überwinterung im Kühlschrank benötigt Emydura victoriae nicht, es schadet ihr als tropische Wasserschildkröte sogar.

Emyduren sind immer recht anfällig für Infektionen der Haut und Panzernekrosen, daher ist eine hochwertige Filterung absolut notwendig. Das kann man mit einem Innenfilter nicht gewährleisten, ein Außenfilter muss her. Zudem ist ein regelmäßiger und großzügiger Wasserwechsel absolut notwendig.

Australische Rotgesicht-Schildkröte, Emydura victoriae

Geschlechtsunterschiede

Ab einem Alter von mindestens einem Jahr kann man bei den Männchen der Australischen Rotgesicht-Schildkröte erkennen, dass ihr Bauchpanzer konkav (eingedellt) wird, aber erst ab einem Alter von zwei Jahren kann man es gut erkennen. Weibliche Emydura victoriae haben ein flachen bis vorgewölbten Bauchpanzer.

Der Schwanz ist bei jungen Australischen Rotgesicht-Schildkröten noch nicht zur Unterscheidung der Geschlechter geeignet. Erst ab etwa einem Alter von zwei Jahren erkennt man, dass der Schwanz der Männchen deutlicher länger ist als bei den Weibchen. Bei ausgewachsenen Emydura victoriae ist der Schwanz der Männchen länger als acht Zentimeter, während er bei Weibchen kürzer als 5 cm ist (GAIKHORST et al. 2011).

Weibliche Australische Rotgesicht-Schildkröte, Emydura victoriae

Zucht

Paarungsverhalten kann man bei der Australischen Rotgesicht-Schildkröte in den Herbstmonaten beobachten, die Eiablagen finden den Winter über statt. Ein Gelege besteht aus 6-17 Eiern, die Tiefe der Eigruben liegt zwischen 15 und 20 cm. Die Inkubation dauert bei 26-29 °C etwa 60-70 Tage. Schlüpflinge wiegen zwischen 4 und 6,5 g bei einer Panzerlänge von 28-35 mm. Die Jungtiere wachsen schnell, mit zwei Jahren wiegen Weibchen bereits über 400 g bei einer Panzerlänge von knapp 16 cm, während Männchen dann gerade einmal 250 g wiegen und keine 14 cm lang sind (GAIKHORST et al. 2011). Die Bruttemperatur hat keinen Einfluss auf das Geschlecht der Jungtiere, denn Emydura victoriae hat eine genetische Geschlechtsfixierung.

In den USA werden Australische Rotgesicht-Schildkröten gelegentlich gezüchtet, es ist aber nicht einfach bis unmöglich die Schildkröten nach Europa zu importieren. Gerüchteweise soll die Zucht auch in Deutschland schon mal geglückt sein, von einer stabilen europäischen Heimtierpopulation von Emydura victoriae sind wir aber meilenweit entfernt. Aufgrund der strengen Gesetzgebung in Australien ist es nicht möglich Wildfänge zu erwerben, obwohl die Art in Europa nicht unter Schutz steht.

Australische Rotgesicht-Schildkröte, Emydura victoriae

Namenschaos

Ursprünglich wurde eine Schildkröte mal unter dem Namen Hydraspis australis beschrieben. Im Laufe der Zeit wurde der Artname australis für eine ganze Reihe von Emydura-Populationen in Nordaustralien verwendet (CANN 1998). So war auch die bekannte Rotbauch-Spitzkopf-Schildkröte mal eine Unterart hiervon und wurde Emydura australis subglobosa genannt.

Bei der Art Emydura australis sagen die Zoologen, dass es sich um ein sogenannten Nomen dubium handelt, das ist Latein und bedeutet „zweifelhafter Name“. Der wissenschaftliche Artname kann also keiner Art mehr zugeordnet werden, man weiß schlicht nicht für welche der heutigen Schildkröten er gültig sein könnte. Daher wird er für keine verwendet.

Sehr wahrscheinlich ist die Schildkröte, die heute Emydura macquarii macquarii genannt wird die Schildkröte die mal als australis beschrieben worden ist (COGGER et al. 1983, GEORGES & THOMSON 2010).

Aktuelle Emyduren-Systematik

Bei der Systematik der verschiedenen Emydura-Arten und Unterarten herrscht etwas Chaos. Da wurde jahrelang wenig wirklich gute Forschung betrieben und alles mögliche anhand kleinster Unterschiede als eigene Art oder Unterart beschrieben. Daher kann man sich bei älterer Literatur oft auch nicht wirklich sicher sein um welche Schildkrötenart es in der Arbeit geht. So kommt es, dass zum Beispiel die wildesten Angaben zur maximal erreichbaren Panzerlänge kursieren. Derzeit werden nur folgende Arten und Unterarten wirklich anerkannt (nach TTWG 2017):

Emydura macquarii
Emydura macquarii macquarii
Emydura macquarii emmotti
Emydura macquarii krefftii
Emydura macquarii nigra
Emydura subglobosa
Emydura subglobosa subglobosa
Emydura subglobosa worrelli
Emydura tanybaraga
Emydura victoriae

Das war es. Alles andere an früheren Arten und Unterarten wird nicht mehr anerkannt. Wenn du eine solche Schildkröte Zuhause hast, dann ist es aber mit aller größter Wahrscheinlichkeit eine Emydura subglobosa subglobosa, alle anderen (Unter-)Arten gibt es so gut wie gar nicht in Europa.

Kleine Übersetzungshilfe

alter Name = aktueller Name (nach TTWG 2017)

Emydura australis = Emydura macquarii

Emydura australis krefftii = Emydura macquarii krefftii

Emydura australis australis = Emydura macquarii macquarii

Emydura australis subglobosa = Emydura subglobosa subglobosa

Emydura australis albertisii = Emydura subglobosa subglobosa

Emydura albertisii = Emydura subglobosa subglobosa

Weibliche Australische Rotgesicht-Schildkröte, Emydura victoriae

Literatur

Cann, J. (1998): Australian Freshwater Turtles. – Singapore: Beaumont Publications, 292 S.

Cogger, H. G., E. E. Cameron & H. M. Cogger (1983): Zoological Catalogue
of Australia. Volume 1. Amphibia and Reptilia. – Canberra: Australian Government Publishing Service, 313 S.

Fitz-Simmons, N. N., P. Featherston & A. D. Tucker (2016): Comparative dietary ecology of turtles (Chelodina burrungandjii and Emydura victoriae) across the Kimberley Plateau, Western Australia, prior to the arrival of cane toads. – Marine and Freshwater Research, 67(11), S. 1611-1624.

Gaikhorst, G. S., B. R. Clarke, M. McPharlin, B. Larkin, J. McLaughlin & J. Mayes (2011): The captive husbandry and reproduction of the pink‐eared turtle (Emydura victoriae) at Perth Zoo. – Zoo biology, 30(1), S. 79-94.

Georges A. & S. Thomson (2010): Diversity of Australasian freshwater turtles, with an annotated synonymy and keys to species. – Zootaxa, 2496: S. 1–37. 

Turtle Taxonomy Working Group [Rhodin, A.G.J., J.B. Iverson, R. Bour, U. Fritz, A. Georges, H.B. Shaffer & P.P. van Dijk] (2017): Turtles of the World: Annotated Checklist and Atlas of Taxonomy, Synonymy, Distribution, and Conservation Status (8th Ed.). – In: Rhodin, A.G.J., J.B. Iverson, P.P. van Dijk, R.A. Saumure, K.A. Buhlmann, P.C.H. Pritchard & R. A. Mittermeier (Hrsg.): Conservation Biology of Freshwater Turtles and Tortoises: A Compilation Project of the IUCN/SSC Tortoise and Freshwater Turtle Specialist Group. – Chelonian Research Monographs 7: S. 1–292.