Bei der Haltung und Nachzucht von Wasserschildkröten kommt es gelegentlich vor, dass einzelne Schlüpflinge mit einem ungewöhnlich großen Dottersack zur Welt kommen. Solche Tiere wirken oft kleiner, schwächer und benötigen eine besondere Pflege. Hier möchte ich mögliche Ursachen erklären und Hinweise geben zur optimalen Versorgung betroffener Wasserschildkröten.

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Warum haben Schlüpflinge einen zu großen Dottersack beim Schlupf?
Der Dottersack ist die Nährstoffquelle für die ersten Lebenstage. Normalerweise wird er in den ersten 1–2 Wochen nach dem Schlupf vollständig vom Körper aufgenommen. Ein zu großer oder verletzter Dottersack birgt jedoch Infektionsrisiken und mechanische Gefahren (z. B. Aufreißen beim Herumkrabbeln). Ein übergroßer, beim Schlupf noch weitgehend unresorbierter Dottersack kann bei Schildkröten verschiedene Ursachen haben. Manche sind harmlos, andere deuten auf suboptimale Bedingungen während der Brut hin. Ein großer Dottersack ist kein seltenes Phänomen und muss nicht immer krankhaft sein, viele Jungtiere erholen sich gut, wenn die Pflege danach stimmt. Aber: Optimale Brutbedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit, Hygiene, ruhige Umgebung) sind entscheidend, um solche Fälle zu minimieren.
Natürliche Variation
Nicht jeder große Dottersack ist krankhaft. Manchmal schlüpfen Schildkröten einfach etwas früher, zum Beispiel weil sie genetisch so programmiert sind oder sie sich beim Schlupf durch Umwelteinflüsse (z. B. Temperatur, Feuchtigkeit) leicht verfrüht aus dem Ei kämpfen. In solchen Fällen kann sich der Dottersack bei richtiger Pflege noch normal einziehen.
Zu hohe Bruttemperatur
Bei hohen Inkubationstemperaturen, insbesondere bei 31 °C oder mehr, kommt es zu einer schnelleren Embryonalentwicklung, aber die Organe und Gefäße sind noch unreif, daher kann der Dotter nicht vollständig aufgenommen werden. Zu hohe Temperaturen können auch Fehlbildungen begünstigen.
Schwankende oder falsche Luftfeuchtigkeit
Zu trockene Inkubation kann dazu führen, dass das Ei eintrocknet und der Schlüpfling es frühzeitig verlässt. Zu feuchte Bedingungen können umgekehrt die Aufnahme des Dotters verzögern und zu Infektionsrisiken führen.
Verkürzte Inkubationsdauer
Normalerweise sollten Schildkröten erst dann schlüpfen, wenn der Dottersack fast resorbiert ist. Sie buddeln sich dann aber nicht unbedingt sofort an die Oberfläche. Im Inkubator ist die Substratschicht über den Eiern in der Regel geringer als in der Natur, daher sitzen die Wasserschildkröten-Babys schneller „oben“ als es in der Natur der Fall wäre. Daher empfehle ich immer die Eier zu 100 % zu vergraben und nicht etwas aus dem Brutsubstrat herausschauen zu lassen. Das verhindert schon oft zu frühes Schlüpfen.
Manchmal wird die Eischale auch zu früh durchbrochen, zum Beispiel weil die Schale zu dünn war (Kalzium-Versorgung der Mutter!), die Eihaut zu schwach ausgebildet war oder aufgrund einer mechanischen Erschütterung. Manche Schildkrötenzüchter können es auch nicht abwarten und „helfen“ den Schildkröten beim Schlupf, da kann es passieren, dass die Babys zu früh aus dem Ei gepellt werden.
Wenn die Eier mechanisch beeinflusst wurden (z. B. leichte Erschütterung) kann es sein, dass einzelne Schlüpflinge frühzeitig das Ei öffnen, obwohl sie noch nicht voll ausgereift waren.
Infektion oder Mangelversorgung im Ei
Eine bakterielle Besiedlung des Eis oder mangelhafte Eiqualität (z. B. durch Fehler in der Fütterung der Muttertiere) kann die Entwicklung stören. Vitamin-A-Mangel oder andere Nährstoffdefizite im Muttertier können embryonale Reifung verzögern.

Unterschiedlich große Dottersäcke innerhalb eines Geleges
Dass in einem einzigen Gelege einige Schlüpflinge schwach und klein sind, mit großem Dottersack, während andere Schildkröten anscheinend vitaler erscheinen, ist ein häufiges, aber komplexes Phänomen. Dass in einem Gelege unterschiedlich entwickelte Schlüpflinge schlüpfen, ist zunächst kein Grund zur Beunruhigung. Bei manchen Wasserschildkröten-Arten (z. B. Höcker- und Zierschildkröten) ist dies sogar vergleichsweise häufig zu beobachten, insbesondere bei Erstzuchten oder neuen Zuchtpaaren. Die Ursachen sind vielfältig.
Unterschiede innerhalb des Geleges
Obwohl die Eier eines Geleges gleichzeitig gelegt wurden, entwickeln sich die Embryonen im Inneren nicht immer exakt gleich. Schon kleine Unterschiede in Eigröße, Schalenstruktur oder Position im Gelege können zu Abweichungen im Entwicklungsverlauf führen. So kann es passieren, dass ein Tier bereits vollständig entwickelt ist, während ein anderes noch nicht bereit ist, das Ei zu verlassen. Auch wenn es „ein Gelege“ ist, sind die Positionen der Eier im Legekanal unterschiedlich, so werden einige vielleicht früher befruchtet, andere viel später.
Temperaturverteilung im Inkubator
Selbst bei optimaler Einstellung des Inkubators können Temperaturspots entstehen, auch wenn nur 0,3-0,5 °C Differenz sind, kann das unterschiedlich große Dotter verursachen durch Beeinflussung der Entwicklungsgeschwindigkeit der Schildkröten-Embryonen. Das Mikroklima an den Eiern selbst kann durch Luftzirkulation oder Feuchtigkeitsverteilung selbst innerhalb einer Brutbox unterschiedlich sein. So haben Eier näher am Rand manchmal andere Bedingungen als zentral gelegene. Das beeinflusst die Geschwindigkeit der Embryonalentwicklung.
Feuchtigkeitsverteilung im Brutsubstrat
Wenn das Substrat unregelmäßig durchfeuchtet ist, ziehen manche Eier mehr oder weniger Wasser, was zu Schrumpfung oder zum Aufquellen der Eischale führen kann und so zu unterschiedlichen Schlupfzeitpunkten. Das wiederum beeinflusst den Dotterverbrauch im Ei. Weniger reife Schildkröten verlassen das Ei dann mit mehr Dotter.
Genetik der Elterntiere
Die Mutter eines Geleges ist meist gut definiert, aber innerhalb eines Geleges sind zwei oder mehr Väter möglich. Das kann einen Einfluss auf die Entwicklung der Jungtiere haben. Möglich ist auch eine suboptimale Spermienqualität beim ersten Deckakt eines jungen Männchens. Bei der ersten Eiablage eines Weibchens können schwächere Embryonen durch geringere Eivitalität, die langsamer reifen als die Babys von Schildkröten die schon ein paar mehr Gelege hatten.
Unterschiedliche Schildkrötenarten sind unterschiedlich empfindlich. Während Schmuckschildkröten (Trachemys sp., Pseudemys sp.) eine hohe Tolzeranz gegenüber Inkubationsschwankungen haben und deren Jungtiere selbst bei ungünstigen Brutbedingungen vital schlüpfen, sind andere sensibler. So wirken sich bei Zierschildkröten (Chrysemys sp.) und Höckerschildkröten (Graptemys sp.) schon geringe Abweichungen oder Stress stärker auf den Schlupf aus.

Wie pflege ich einen Schildkröten-Schlüpfling mit zu großem Dottersack?
Ein großer Dottersack ist kein Notfall, solange er unversehrt und gut durchblutet ist. Sofern keine Entzündung eintritt, zieht sich der Dottersack in den meisten Fällen innerhalb von fünf bis 15 Tagen vollständig ein.
Nicht baden!
Wichtig ist, den Schlüpfling nicht ins Wasser zu setzen, solange der Dottersack nicht eingezogen ist, es besteht Infektionsgefahr!
Sterile, weiche Unterlage
Ein Schlüpfling mit großem Dottersack sollte auf keinen Fall auf hartem Untergrund liegen. Lege den Schlüpfling auf feuchtes, steriles Vlies oder Küchenpapier. Kein Substrat wie Sand oder Erde!
Manche Halter nutzen PVP-Jod (z. B. Betaisodona) zur Desinfektion, in der Apotheke gibt es das normalerweise als 10 %ige Lösung. Zum Tränken des Küchenpapiers empfehle ich es vorher auf 2 % zu verdünnen. Dazu ein Teil 10 %iges PVP-Jod mit vier Teilen sterilem Wasser vermischen. Steriles Wasser kann man zum Beispiel durch abkochen erreichen oder man besorgt sich 0,9 % NaCl-Lösung für medizinische Anwendung in der Apotheke.
Um 50 ml einer 2 %igen PVP-Jod-Lösung zu bekommen, kann man also 10 ml vom 10 %igen PVP-Jod mit 40 ml sterilem Wasser vermischen. Die verdünnte Lösung sollte frisch angesetzt und nicht lange aufbewahrt werden. Keinesfalls unverdünntes PVP-Jod auf offene Dottersäcke geben, dieses Desinfektionsmittel ist dafür zu reizend.
Warm und feucht halten
Ein Schlüpfling mit großem Dottersack ist am besten im Inkubator aufgehoben. Er braucht eine Temperatur zwischen 25 und 30 °C, am besten wie die bisherige Bruttemperatur. Die Luftfeuchtigkeit muss hoch sein, also 80-90 %, damit der Dotter nicht eintrocknet, sondern resorbiert werden kann. Eine kleine Kunststoffdose mit Deckel ist ideal, zum Beispiel eine Heimchendose. Normalerweise haben Heimchendosen auch bereits kleine Luftlöcher, wenn es eine andere Dose sein sollte, dann kleine Luftlöcher hinein machen. Der Deckel sollte auf der Dose ruhig drauf sein, damit es schön feucht bleibt.
Ruhe bewahren, Stress vermeiden
Dann gilt es Geduld zu beweisen. Das sollte ja ohnehin die Stärke eines Schildkrötenhalters sein. Keine Handhabung, kein Herumlaufenlassen. Der Dottersack darf auf keinen Fall beschädigt werden.
Wann kann die Schildkröte ins Wasser?
Erst nach dem vollständigen Verschluss der Nabelöffnung kann der Schlüpfling in flaches Wasser gesetzt werden. Meistens ist das nach fünf bis 15 Tagen soweit.
Schildkröten mit großem Dotter bereits füttern?
Während der Schlüpfling noch mit großem Dottersack im Inkubator sitzt darf er keinesfalls gefüttert werden, er hat ja noch die Reserven aus dem Dotter. Frühestens wenn der Dotter eingezogen ist und man die Schildkröte ins Wasser gesetzt hat wird mit der Fütterung begonnen.

Wie sind die Überlebenschancen von Schildkröten-Schlüpflingen mit übergroßem Dottersack?
Wenn der Dottersack unversehrt bleibt, keine Infektion auftritt und er in Ruhe gelassen wird, hat der Schlüpfling gute Chancen eine große Wasserschildkröte zu werden. Wenn am Dottersack eine Rötung auftritt, der Dottersack beschädigt wird und Flüssigkeit aus dem Dottersack austritt oder ein unangenehmer Geruch entsteht, dann sind die Chancen eher schlecht. Die ersten fünf bis sieben Tage sind entscheidend!
Tipp: Mach regelmäßig Fotos und vergleiche die Dottergröße. Wenn sich der Dottersack der Wasserschildkröte verkleinert und keine Rötung oder Geruch auftritt, ist das ein gutes Zeichen.
Zusammenfassung
Das Auftreten von Schlüpflingen mit großem Dottersack ist bei Wasserschildkröten kein seltenes Phänomen und resultiert meist aus einem Zusammenspiel aus Brutparametern, genetischer Streuung und natürlicher Entwicklungsdynamik. Mit sorgfältiger Pflege und der richtigen Umgebung überstehen viele Tiere diese sensible Phase gut und entwickeln sich später völlig normal.