Alabama-Moschusschildkröte, Sternotherus intermedius

Die Wissenschaft forscht ja immer. So kommt es gelegentlich auch zur Neubeschreibung einer Schildkrötenart. Die Alabama-Moschusschildkröte (Sternotherus intermedius) wurde erst 2017 als eigene Art neu beschrieben (SCOTT et al. 2018). Jetzt stellt sich natürlich die Frage warum ich sage, dass die Art 2017 beschrieben wurde, aber einen Artikel von 2018 zitiere. Das lässt sich leicht erklären: Die Erstbeschreibung wurde im Jahrgang 2018 der Zeitschrift Molecular Phylogenetics and Evolution veröffentlicht, aber bereits im November 2017 war dieser Artikel online verfügbar.

Kopf der Alabama-Moschusschildkröte, Sternotherus intermedius

Der wissenschaftliche Name geht auf das lateinische Wort intermediātus zurück, was „Zwischenprodukt“ heißt. Eine Anspielung auf die Tatsache, dass die Art lange für einen Mischling gehalten wurde.

Was wissen wir über die Alabama-Moschusschildkröte? Nicht viel. Das ist ja logisch, die Art wurde erst vor wenigen Jahren beschrieben. Da gab es noch nicht viel Zeit über diese Moschusschildkröte zu forschen. Bei einigen älteren Forschungsarbeiten wird die Art Sternotherus intermedius sicherlich dabei gewesen sein, nur halt unter anderem Namen.

Systematik

Die Schildkröte die heute Sternotherus intermedius heißt gab es auch schon früher. Natürlich ist sie nicht unbemerkt in einem so gut erforschten Gebiet wie den USA geblieben. Aber lange Zeit hat man diese Form der Moschusschildkröte für einen Mischling zwischen Sternotherus minor minor und Sternotherus minor peltifer gehalten. Bei genetischen Untersuchungen wurde jedoch festgestellt, dass diese Annahme falsch ist und sie sich von den beiden Unterarten von Sternotherus minor genetisch unterscheidet (SCOTT et al. 2017).

Die Schildkröten-Arten und Unterarten minor, peltifer, depressus und intermedius werden auch als Sternotherus-minor-Gruppe bezeichnet.

Es ist durchaus möglich, dass die Alabama-Moschusschildkröte irgendwann einmal Sternotherus minor intermedius heißt. Also keine Art bleibt, sondern als Unterart von Sternotherus minor geführt wird. Für die Flache Moschusschildkröte (Sternotherus depressus) wird ebenfalls diskutiert, ob sie eine Unterart von Sternotherus minor ist. Im Gegenzug gibt es auch Wissenschaftlicher die peltifer nicht als Unterart ansehen, sondern als eigene Art: Sternotherus peltifer. Dann heißt die Unterart Sternotherus minor minor auch nur noch Sternotherus minor. Alles nicht so einfach 😉

Rückenpanzer der Alabama-Moschusschildkröte, Sternotherus intermedius

Zudem gibt es natürlich auch Leute die sagen: „Sternotherus intermedius ist keine Art/Unterart, sondern ein Mischling“. Letztendlich ist das alles noch nicht so genau geklärt. In den nächsten Jahren wird da sicherlich noch einmal drin rumgerührt.

Unterschiede zwischen den Moschusschildkröten

Wie kann man nun erkennen welche Art von Moschusschildkröte man Zuhause hat? Schritt eins: Habe ich eine Schildkröte aus der Sternotherus minor-Gruppe, also minor, peltifer, intermedius und depressus?

Wenn deine Schildkröte ein Kehlschild hat, dann ist es schon mal keine Sternotherus carinatus, denn bei der Dach-Moschusschildkröte fehlt das Kehlschild am Bauchpanzer. Du erkennst das so: bei der Dach-Moschusschildkröte ist jedes Schild am Bauchpanzer doppelt vorhanden. Bei der Gewöhnlichen Moschusschildkröten gibt es vorne am Kopf ein einzelnes zusätzliches Schild in der Mitte.

Wenn es ein Kehlschild gibt, dann gucken wir als nächstes nach den Barteln am Kinn der Schildkröte. Bei der Gewöhnlichen Moschusschildkröte gibt es vier Barteln, zwei am Kinn und kurz dahinter zwei an der Kehle.

Findest du ein oder zwei Kehlschilder, aber nur zwei Barteln, dann hast du eine Moschusschildkröte der Sternotherus-minor-Gruppe. Alle haben einen relativ flachen Panzer mit ausgestellten Rändern. Die Unterschiede im Aussehen sind die folgenden:

Bauchpanzer der Alabama-Moschusschildkröte, Sternotherus intermedius. Gut zu sehen ist das einzelne Kehlschild.

Alabama-Moschusschildkröte, Sternotherus intermedius

Die Alabama-Moschusschildkröte hat einen dunkel gepunkteten Kopf mit hellerem Hintergrund. An den Seiten des Kopfes gibt es ein paar Streifen. Das Kehlschild ist einzeln oder paarweise vorhanden. Es kann drei Kiele am Rückenpanzer geben (insbesondere bei Jungtieren), die seitlichen Kiele sind bei einigen Populationen aber auch nicht vorhanden.

Zwerg-Moschusschildkröte, Sternotherus minor minor

Die Zwerg-Moschusschildkröte hat einen Rückenpanzer mit drei angedeuteten Kielen, einen oben auf dem Rücken und an jeder Seite mittig einen weiteren. Bei erwachsenen Schildkröten sind die Kiele allerdings oftmals nicht mehr zu erkennen. Am Kopf gibt es dunkle Punkte auf hellem Hintergrund. Es gibt ein einzelnes Kehlschild. Am Hals zwei Barteln (also ein Paar).

Nackenstreifen-Moschusschildkröten, Sternotherus minor peltifer

Bei der Nackenstreifen-Moschusschildkröte haben Jungtiere einen Kiel, aber keine Seitenkiele. Am Kopf und am Hals gibt es ein linienartiges Muster, aber keine Punkte. Es gibt zwei Kehlschilde und ein paar Barteln.

Flache Moschusschildkröten, Sternotherus depressus

Die Flache Moschusschildkröte hat den flachensten Panzer aller Moschusschildkröten und wird daher auch „Spaltenschildkröte des Wassers“ genannt. Sie bewohnt nämlich Felsspalten. Als Jungtier haben Sternotherus depressus noch ein Kiel in der Mitte, aber keine seitlichen Kiele. Sie haben eine netzartiges Muster an Hals und Kopf. Die Flache Moschusschildkröte ist so selten in Europa, dass du im Grunde schon alleine deshalb ausschließen kannst, dass du eine Flache Moschusschildkröte hast.

Verbreitung

Sternotherus intermedius ist eine kleine Wasserschildkröte aus Nordamerika, um genau zu sein aus dem US-Bundesstaat Alabama und dem Pfannenstiel von Florida. Sie bewohnt den Choctawhatchee-Fluss und den Escambia-Fluss und ihre Zuflüsse (SCOTT et al. 2018).

Alabama-Moschusschildkröte, Sternotherus intermedius

Größe

Nach HENTSCHEL (2020) erreichen Sternotherus intermedius eine Panzerlänge von 7,3-8,9 cm.

Haltung im Aquarium

Die Haltung von Moschusschildkröten im Aquarium ist ja grundsätzlich nicht so sonderlich schwer. Das wird auch bei der Alabama-Moschusschildkröte der Fall sein. Es gibt auch Personen in Europa die hatten lange Jahre irgendwelche merkwürdigen Wildfang-Mischlinge von Moschusschildkröten in ihrem Bestand. Dann kam ihre große Stunde: Eine neue Art wurde beschrieben. Also noch einmal Scheiben geputzt und die lange unter ferner liefen behandelten Wasserschildkröten genauer angeschaut: „Dat sin ja keene Mischlinge, dat is Sternotherus intermedius„. Also schnell ein paar Eier ausbrüten, am Preisschild eine Null ergänzen und los geht’s!

Sind in Europa echte Sternotherus intermedius erhältlich? Man weiß es nicht. Die in Europa als Alabama-Moschusschildkröte verkauften Exemplare sehen sicherlich nicht wie „normale“ Zwerg-Moschusschildkröten aus. Aber genetisch überprüft hat das keiner der Züchter.

Die Haltung von Alabama-Moschusschildkröten unterscheidet sich nicht von Zwerg-Moschusschildkröten und Nackenstreifen-Moschusschildkröten.

HENTSCHEL (2020) berichtete als Erster von der Zucht dieser Art. Er hatte drei Wochen nach der Paarung ein Gelege mit drei Eiern. Bei einer Bruttemperatur zwischen 22-30 °C (8 h Nachtabsenkung) schlüpften nach 100-120 Tagen die Jungtiere mit einer Panzerlänge von 2,1-2,7 cm.

Literatur

Hentschel, R. (2020): Sternotherus intermedius SCOTT, GLENN, RISSLER, 2017 – Europäische Erstnachzucht der Alabama-Moschusschildkröte. – Sacalia 69, S. 6-15.

Scott, P. A., T. C. Glenn & L. J. Rissler (2018): Resolving taxonomic turbulence and uncovering cryptic diversity in the musk turtles (Sternotherus) using robust demographic modeling. – Molecular Phylogenetics and Evolution 120: S. 1–15.

Link

Auf https://chelonia-science.de/abstract/abstracts-s/scott-2018-01.html gibt es eine deutsche Übersetzung des Abstract und einen Kommentar zu der Erstbeschreibung.